Steffen Förster
Bei einem internationalen Treffen in Rudolstadt unterhielt sich der Kandidat mit Experten aus der Landwirtschaft.
Förster: Der Agrarsektor mit Acker- und Gartenbau sowie Tierhaltung ist ja der grundlegendste Wirtschaftszweig und nimmt fast 51 % der deutschen Landesfläche ein. Da lohnt es sich einmal nach den Umständen der Erzeugung zu fragen. Was sind momentan Ihre Hauptsorgen?
Honigbiene: Ganz schlimm sind diese Neonikotinoide! An diesem Nervengift sind schon so viele Kollegen jämmerlich gestorben. Mit diesen Mitteln wird die Pflanze zur Giftpflanze umgebaut und alle Insekten, die den Nektar aus den Blüten nehmen, also als Bestäuber arbeiten, gehen an dem Gift zugrunde; nicht nur wir Arbeitsbienen, auch die vielen Wildbienen, alle Insekten, die Nektar sammeln. Neonikotinoide werden bei der Aussaat auch unbeabsichtigt in der Luft verteilt und sind zudem wasserlöslich. Das ist ein perfider Krieg gegen uns und das Gift setzt sich in der Nahrungskette bis zum Menschen fort! Aber langfristig schaden sich die Menschen dabei selbst: In China müssen Blüten der Nutzpflanzen wegen Insektenmangel bereits seit Längerem von Menschenhand bestäubt werden.
Milchkuh: Mein Bauer klagt über den Rückgang der Bodenfruchtbarkeit aufgrund des Verlustes von organisch gebundenen Kohlenstoffs. Die obere Bodenschicht, die Humusschicht besteht zu ca. 60 % aus Kohlenstoff, der über Fotosynthese aus dem CO2 der Luft entnommen wird. Das ist ja d e r Grundbaustein des Pflanzenwachstums. Wir sind ein integrierter, familiengeführter Hof, da macht der Chef Zwischensaaten oder eggt Erntereste und auch mal Hofdünger ein, was die Humusbildung fördert. Wenn die Kohlenstoffbilanz des Bodens stimmt und u. a. die Wasseraufnahmefähigkeit steigt, sinkt die Durchlässigkeit für Nitrate ins Grundwasser. Bei Sturm ist auch die unbedeckte Krume besser gebunden und es gibt weniger Bodenerosion. Das ist für meinen Bauern aber ganz schön arbeitsaufwendig. Die benachbarte große Agrar GmbH pflügt und eggt nach der Ernte alles ganz sauber, der Ackerboden wird langsam zu "Asche" wie mein Bauer sagt, er degradiert, heißt es in der Fachsprache. Hier fehlt die Bindung der Krume und der Wind trägt den Boden weg. Sie düngen chemisch immer mehr, aber die Ernteerträge stagnieren, gehen teils zurück, weil für’s Pflanzenwachstum die Substanz und die Bodenfeuchte fehlt!
Förster: Nun habe ich gehört, dass Humusaufbau nicht nur die Bodenfruchtbarkeit steigert, sondern auch CO2-Emissionen kompensiert: Bei 0,4 % in Land- und Forstwirtschaft bspw. die deutschen Emissionen eines ganzen Jahres. Bei entsprechend höherem Humusziel kann auch die klimaschädliche CO2-Deponie in der Atmosphäre, die Ursache für den Klimawandel, verringert werden.
Honigbiene: Ja, auch die Wiedervernässung von Mooren hat da ein hohes Potenzial, dazu Waldbau und einfach Wiesen, wovon es immer weniger gibt. Für uns Insekten paradiesisch… wenn wir wieder mehr werden, erholen sich auch die Vogelbestände. Leider sind viele Vertreter von uns deren Leibspeise ...
Förster: Zu diesen Möglichkeiten, dem Klimawandel mit einfachen, nichttechnischen Mitteln entgegenzuwirken, die uns die Natur bietet, passt leider gar nicht, dass immer noch wertvoller Mutterboden verschwindet. Zwar ist in Deutschland die Tendenz rückläufig, momentan sind das 56 ha pro Tag - im Jahr immerhin ca. 20 km², die für Gebäude und Verkehrswege verloren gehen. Die vorgeschriebene Kompensation funktioniert meist nur rechnerisch oder dauert zu langsam. Bis 2050, wenn in es Deutschland keinen solchen Flächenfraß mehr geben soll, sind mehrere Hundert Quadratkilometer versiegelt und als Acker, Weide oder Wald und nicht nur für die CO2-Kompensation, sondern auch für die Lebensmittelproduktion verloren.
Honigbiene: Vor nicht allzulanger Zeit wurde in der Nachbarstadt ein schöner, verwilderter Garten, für uns ein Traum, in einen schnöden Parkplatz für das Rathaus umgewandelt - also, staatliche Stellen, die für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen einstehen sollen, treiben solche Verluste mit voran!
Milchkuh: Das sind unzählige Probleme, nehmen wir der mangelnden Fruchtwechsel bei der Agrar GmbH nebenan: jahrein jahraus Raps. Daneben der andere Großagrarier Mais, Mais, Mais, keine Zwischensaat, kein Fruchtwechsel. Da fühlt sich der Maiszünsler doch zu Hause. Dann schrien beide nach gentechnisch verändertem Mais, um dem Maiszünsler abzuhelfen, statt einfach Fruchtwechsel zu praktizieren. Zum Glück für meinen Bauern wurde dieses Monsanto-Saatgut damals nicht zugelassen.
Förster: Von den Lobbyisten wird den Politikern solches Tun als „gute Praxis“ dargestellt und sie lassen von all den himmelschreienden Problemen weitestgehend die Finger und die Großagrarier als Spezialisten gewähren. Was halten Sie eigentlich von Veganern?
Honigbiene und Milchkuh: Die interessieren uns nicht - die wollen ja auch nichts von uns. Warum bereiten Ihnen als Museologe die ökologischen Probleme Sorgen?
Förster: Na, wir wollen doch nicht erst wenn der letzte Baum gefällt ist, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, feststellen, dass man Geld nicht essen kann. Wir wissen es doch bereits. Die Schöpfung war noch vor 150 bis 200 Jahren, je nach Gegend, so einigermaßen im Gleichgewicht und das ist vor allem seit der Industriellen Revolution immer mehr gefährdet. Aus dem ökologischen Wahnsinn von heute, entstehen doch die sozialen Probleme von morgen z. T. sind sie schon da, nicht nur außerhalb, sondern i n Europa. Nehmen wir die Verunreinigung der Gewässer durch Plastikabfall und vergiftete Böden. Dadurch ist unser Trinkwasser gefährdet. Mikroplastik ist in Meersalz und Seefisch nachgewiesen. Reiche können sich teure, unbelastete Lebensmittel leisten oder in Gegenden mit guter Luft wohnen. Die Mehrheit ist aber auf gute Lebensverhältnisse in ihrer unmittelbaren Umgebung angewiesen, wenn sie gesund leben will. Seit fast 20 Jahren ist Kohlendioxid – CO2 - zur Chiffre für Umweltverträglichkeit geworden, aber damit sind nicht alle Umweltprobleme beschrieben. Nehmen wir die Abfallpolitik. Hier sind wir in Deutschland meilenweit von einer Kreislaufwirtschaft entfernt; wenn man nur allein den Grünen-Punkt betrachten: Nur 15 % des Sammelaufkommens wird recycelt, 60 % exportiert und das Übrige wie Restmüll verbrannt – wieder entstehen CO2, dazu giftige Stäube. Nein CO2 ist sicher zentral, aber nicht universell. Wenn wir jetzt von der Artenvielfalt sprechen wollen ...
Honigbiene: … ja, allein von uns Echten Bienen gibt es mit den Hummeln weltweit mehr als 6.000 Arten und viele fallen v. a. in der Landwirtschaft diesen Insektiziden zum Opfer. Auch Pestizide und Fungizide sind für uns nicht gerade gesund!
Milchkuh: Auch bei uns Zuchttieren sind z. B. viele regionale Hausrindrassen indirekt bedroht. Weil sie der Ertragseffizienz der Agrarindustrie für Milch und Fleisch nicht entsprechen, werden sie manchmal „nur“ noch auf Archehöfen gezüchtet.
Förster: Womit wir wieder beim Eingangsthema wären: Probleme, die wir ohne die Agrarindustrie nicht hätten – das würde mindestens ein Volkshochschul-Programm füllen.